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Winterdienst-Fahrtraining

Neun Fahrer hat FES-Winterdienstleiter Christoph Rembow (39) zum Winterdienst-Fahrertraining auf den ADAC-Verkehrsübungsplatz nach Gründau-Lieblos gebeten. Sie kommen von allen fünf Betriebsstätten der Stadtreinigung. Die meisten sind noch jung, zwischen 25 und 35 Jahre. Einige haben erst seit zwei Jahren ihren Lkw-Führerschein. In einem Streufahrzeug sitzen an diesem Spätsommertag viele auch zum ersten Mal. Die Ausnahme ist Peter Ackermann, seit 25 Jahren Berufskraftfahrer für FES. Der Winterdienst gehört für ihn jährlich zum jahreszeitlichen Ritual.

Einmal im Jahr bittet FES die Fahrer zum Training auf den Übungsplatz. „Wir sind ab 4 Uhr früh die ersten, die raus müssen, um bis 6.30 Uhr für den Berufsverkehr die wichtigsten Straßen zu präparieren“, erklärt Chef Christoph Rembow. „Für uns selbst macht das aber niemand. Es passiert schnell, dass Du mit dem Fahrzeug ins Rutschen kommst.“ Im Verkehrsraum der Großstadt gibt es zudem eine Menge Mobiliar, das kaputt gehen kann. Zum Glück sind bei der ersten Runde der Großstreuer kaum Menschen unterwegs. Später am Tag sind die Straßenverhältnisse dann in der Regel sicherer, aber der Verkehr auch deutlich stärker.

Der 54-jährige Ackermann hat in all den Jahren schon manch kritische Situation erlebt: „Manchmal braucht es einfach nur Glück. Ich weiß noch genau, wie ich einmal morgens auf der Ketteler Allee plötzlich ins Rutschen kam. Ich habe noch den Schneepflug nach unten gesenkt, um mehr Widerstand zu haben. Trotzdem hat nicht viel gefehlt, und ich hätte den Kleinwagen an der Ampel um ein Haar mitten in den kreuzenden Berufsverkehr geschoben. Da steigst Du dann erstmal aus, und atmest tief durch.“ Erlebnisse, die niemand braucht, die einen aber daran erinnern, wie wichtig eine gute Vorbereitung auf die kalte Jahreszeit ist.

Nach Theorie und Mittagspause führt Trainer und Fahrlehrer Wolfgang Lange die Truppe in Orange auf eine breite Betonpiste. Sie ähnelt einer Flugzeug-Landebahn, ist aber nicht ganz so lang. In der Mitte dieser Piste ist auf über 100 Metern Länge eine Kunststoffdecke aufgebracht. Rutschig wird die allerdings erst ab dem Moment, als an den Seitenrändern plötzlich Sprinkler angehen und die Fläche wässern. Nun ist sie spiegelglatt, vergleichbar einer geschlossenen Eisdecke auf der Straße. „Wir starten mit 30 km/h“, gibt Lange vor. „Was schätzt Ihr, wie lange der Bremsweg sein wird?“

Die Bandbreite der Schätzungen ist groß, und doch insgesamt zu niedrig. Ackermann schweigt wissend. Tatsächlich zeigt sich beim Testen dann schnell. Viel mehr Geschwindigkeit verträgt die Teststrecke gar nicht. Egal, welcher Lastwagen auch zur Vollbremsung ansetzt. Bremswege zwischen 40 und 75 Metern sind die Regel. Mit dem Funkgerät weist Lange die Fahrer an, teilt ihnen seine Beobachtungen mit und gibt Tipps für die nächste Runde. „Wenn Ihr jetzt die Geschwindigkeit verdoppelt, würde sich der Bremsweg sogar vervierfachen“, sagt Lange. „Macht Euch das bitte bewusst.“

Auch Lange ist maximal erfahren. Seit 15 Jahren trainiert er Berufskraftfahrer, seit 34 Jahren ist er Fahrlehrer. „Die Differenz der Bremswege erklärt sich durch die unterschiedlichen Fahrzeugtypen“, erklärt er. Zwei- und Dreiachser, ältere und neuere Modelle mit vollen oder leeren Streumitteltanks. Ein Streufahrzeug wiege zwischen 18 und 26 Tonnen. Natürlich spiele auch die Bereifung eine Rolle, so Lange. Und dann der Fahrer. „Viele Fahrer kennen das Gefühl nicht und trauen sich deshalb nicht, voll auf die Bremse zu treten und drauf zu bleiben.“

Als nächstes sollen die Fahrer zwei plötzlich aufsteigenden Wasserfontänen ausweichen. „Eine Unterbodenwäsche ist im Preis inklusive“, scherzt Lange. Allen ist bewusst, dass hier für den Ernstfall trainiert wird, und dennoch ist der Spaßfaktor an diesem Tag hoch. Antonio Forte ist Mitarbeiter der Straßenreinigung, Betriebsstätte Heddernheim, wo er eineinhalb Jahre nach dem Führerschein auf allen Fahrzeugtypen eingesetzt wird. Seine Augen leuchten, als er den Großsteuer mit gekonntem Sliding, gefühlvollem Gegenlenken und anschließender Vollbremsung zum Stehen gebracht hat. „Es ist gut, dass wir ein solches Training bekommen“, sagt er.

Straßen, auf denen sich leicht Glätte bilden kann, gibt es viele in der Stadt. „Im Prinzip sind das alle Brücken, alle Senken und ufernahen Straßen“, sagt Rembow. Der erfahrene Ackermann nennt als Beispiele noch die Altenhöfer Allee am Riedberg und den nördlichen Abschnitt der Rosa-Luxemburg-Straße. Auch Forte weiß bereits, dass es am Riedberg kritisch werden kann. Der Stadtteil gehört zu seinem Bezirk.

Für diesmal geht das Training auf dem Verkehrsübungsplatz des ADAC in Gründau-Lieblos zuende. Allzu lange ist es nicht mehr hin bis zur kalten Jahreszeit. Eine Winterdienst-Saison bei FES dauert von November bis März. So lange müssen Ackermann, Forte und all die anderen bereit sein, kurzfristig auf Wetterlagen zu reagieren und für die Pendlerhochburg Frankfurt freie und sichere Fahrt zu gewährleisten. Nach einem solchen Training fühlen sich alle ein bisschen sicherer. Der Winter kann kommen.